Sommer an der Türkischen Riviera…. Es ist die Zeit, wo sich viele „Fernlieben“ wieder in Alanya und Co treffen, für wenige Wochen im Jahr. Und man hört wieder vermehrt die unglaublichen Komplimente, die man als Frau so wohl in deutscher Sprache gar nicht hört, weil sie auch viel zu dick aufgetragen sind. Das kann natürlich auch ganz einfach Balz-Vokabular sein, das sich insbesondere die bekannte Gattung der Gigolos angeeignet hat, um einsame Frauen erst um den Verstand und dann um ihr Kleingeld zu bringen. Einerseits.
Aber im Türkischen gehört andererseits dieses überbordende, gefühlsbetonte einfach dazu und ist nicht etwa, wie viele verliebte Frauen denken, ganz allein und exklusiv für sie selbst bestimmt. Aşkım – meine Liebe oder Hayatım – mein Leben – klingt für kühle deutsche Ohren nach heißer Liebe, hat aber im Prinzip die Qualität eines schnöden „Schatzi“. Und „ölürüm sana“ – ich könnte sterben für dich“ ist auch nur ein Song von Tarkan. Überhaupt wird in türkischen Popsongs sehr viel geliebt, geweint, vermisst und aus Liebe gestorben. Und um fair zu bleiben, es gibt durchaus auch Liebesschwüre, die sowohl blumig als auch ernst gemeint sind. Allerdings kommen sie sicherlich dem türkischen Mann weitaus leichter über die Lippen als dem deutschen – einfach weil die türkische Sprache in der Hinsicht sehr viel ergiebiger ist.
Selbst unter Freundinnen – sogar lockeren Cliquen – ist es durchaus üblich, eine Whatsapp-Meldung auf dem Handy zu schreiben „Seni özledim“ – ich vermisse Dich. Und niemals wäre es mir in Deutschland in den Sinn gekommen, meine Freundinnen mit „Öptüm“ zu verabschieden „Ich habe Dich geküsst“. Zu seinen Freundinnen zu sagen „seni seviyorum“ ist durchaus nichts ungewöhnliches – und ein Telefongespräch zu beenden, kann fast mühsam sein. Ein schnödes „machs gut“ – machs besser“ grenzt da schon hart an eine Beleidigung.
Also auf türkisch hört sich eine normale Verabschiedung ungefähr so an:
„Tamam canım. Oldu görüşürüz kendine iyi bak. Öpüyorum hoşça kal. Hadi görüşürüz, tamam hadi… Neyse sonra görüşürüz. Tamam bende aleyküm selam öptüm hahahha tamam canım *klack* – „Ok meine Liebe. In ordnung, wir sehen uns, pass auf Dich auf. Ok wir treffen uns wieder. Ich küsse Dich, lass es Dir gut gehen….. und so weiter und so fort.
Für ältere Damen ist man grundsätzlich „kuzum“ (Mein Lamm) yavrum (mein Kleines) oder auch Güllüm – meine Rose.
Und dann kann es schon mal vorkommen, dass der Nachbar mir aus voller Brust zuschmettert „Yengelerin Gülü!!! Seni sevmeyen ölsün!!!“ – „Du Rose unter den Schwägerin! Die Dich nicht lieben, sollen sterben!!!“ Nicht, dass er das wirklich so meint – es ist einfach nur ein etwas überschwänglicher Sympathiebeweis. Unbedingt dazu gehören natürlich dann noch ausladende Gesten und eine ausreichende Lautstärke, dass auch ja alle Nachbarn rundrum mitbekommen, was er von mir hält. Und dass das durchaus nichts anrüchiges ist, wird durch das “Yenge” – Schwägerin – signalisiert. Wobei sprachlich hier jeder mit jedem versippt ist…. Menschen, die man nicht kennt, werden grundsätzlich mit Verwandtschaftsbezeichnungen angesprochen – Abi oder Abla (Bruder/Schwester) bei etwas älteren, Kardeşim, kızım oder oğlum (Brüderchen, meine Tochter/ mein Sohn) bei Jüngeren, Teyze oder Amca (Tante oder Onkel) bei Älteren. Die “Yenge” (Schwägerin) ist ein Sonderfall und eher eine Respektsbezeugung z.B. für die Frau vom Chef…
Was allerdings so gar nicht üblich ist, sind niedliche Tiernamen…. mein Bärchen sollten sie besser nicht auf türkisch übersetzen – Ayı – Bär – ist eher eine Bezeichnung für einen ungehobelten, groben Kerl mit entsprechender Rückenbehaarung. Ähnlich wie der öküz – der Ochse, der herhalten muss als Bezeichnung für einen absoluten Ignoranten. Auch Mäuschen kommt nicht gut an, handelt es sich doch bei fare sowohl um Mäuse als auch um Ratten – Ungeziefer. Im Gegenzug war ich anfangs etwas beleidigt, als mir jemand sagte „Du hast die Augen eines Esels“ – wie bitte??? Ich wurde dann aufgeklärt, dass Esel über die schönsten Augen des Tierreiches verfügen, samt dazugehörigen langen und seidigen Wimpern. Na dann…. so richtig anfreunden konnte ich mich mit den Eselsaugen allerdings bis heute nicht.
Dagegen sagt man zu kleinen Jungs gerne mal als Lob „aslanım benim“ – mein Löwe. Mädchen – ganz niedlich – sind meistens „prensesim“ – meine Prinzessin oder etwas vornehmer „sultanim“ – Meine Königstochter. Und selbst wenn der Sohn ein gestandener Kerl im Erwachsenenalter ist, wird er sich völlig ohne jede Verlegenheit von seiner Mutter „Yavrum“ (mein Welpe) oder Kuzucuğum (mein Lämmchen) nennen lassen. Auch “annesinin kuzusu” “Mutters Lämmchen” muss sich so mancher gestandene Kerl anhören…. Von derselben Mutter, die bei jeder Gelegenheit donnert „kafanı kırarım“ – ich brech Dir den Kopf oder auch “kafanı / ellerin koparım” – ich reiss Dir den Kopf / die Hände ab”.
Für besonders ungeliebte Zeitgenossen gibts dann schon mal den netten Wunsch, ihre Häuser mögen brennen… “Evlerine ateş salsın yuvaları yıksın” wörtlich: Feuer soll auf ihre Häuser regnen, ihre Nester (Heimstätten) sollen zusammenbrechen”
So könnte man eigentlich – im positiven wie im Negativen – endlos weitermachen, da die türkische Sprache für jede Gefühlsregung die entsprechend dramatische Metapher bereithält. Absolut unseriös (um nicht zu sagen, bösartig) ist es aber, wie derzeit überall in den deutschen Medien zu lesen, diese bildhafte Sprache wortwörtlich ins Deutsche zu übersetzen und zu vermitteln, dass da wirklich jemand vorhat, Feuersalven auf Häuser abzuschießen oder Köpfe im Wortsinn abzureißen.