Frauen in der Türkei haben heute prinzipiell die gleichen Rechte wie alle anderen Frauen der Industrieländer, wenn auch Traditionen und falsch verstandene und interpretierte religiöse Vorschriften immer noch zu viel Diskriminierung und Unterdrückung führen, besonders in den ärmeren und traditionelleren Landstrichen. Doch auch in Städten treibt noch manch vorsintflutliche Denkweise ihr Unwesen: so hat ein Professor (!) im staatlichen TV erklärt, Schwangere hätten in der Öffentlichkeit nichts zu suchen, schliesslich könnte man sich ja beim Anblick derselben vorstellen, wie das Kind entstanden sei. Dafür erntete er allerdings sehr viel Spott und Hohn. Derartige seltsame Blüten treibt der Frauenhass immer Mal wieder, auch in Europa – so wie kürzlich ein polnischer Abgeordneter im EU-Parlament seine Meinung kundtat, dass Frauen ja dümmer, kleiner und schwächer als Männer seien und es natürlich ganz normal sei, dass sie weniger verdienen sollten…
Geschichte
Ende des 18. Jahrhunderts sahen sich die Staatsmänner des osmanischen Imperiums gezwungen das soziale, wirtschaftliche und kulturelle System zu ändern, womit auch der Modernisierungsprozess (Tanzimat) begann. Die ersten Reformisten, die sich für die Frauenrechte einsetzten, waren die „Jungtürken“ Sie kritisierten die osmanischen Tradition, die den Frauen ihre Ausbildung verwehrte. Der effektivste Nutzen dieser Bewegung war es, dass die Lage der türkischen Frauen innerhalb der Gesellschaft entwickelt wurde. Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen gewann immer mehr an Bedeutung, ferner die Überzeugung verankert, dass eine Nation nur mit gut ausgebildeten Müttern möglich ist. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden für die Mädchen, Grund- und Mittelschulen eröffnet. Diesen folgten die Berufsschulen für Mädchen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es für Mädchen neun Grundschulen und neun Lehrerausbildungsschulen.
Im Konstitutionalismus (Mesrutiyet), also Ende des 19. Jahrhunderts erhielten einige Frauen Rechte sich für Universitäten immatrikulieren zu lassen und begannen ihre Rechte zu verteidigen. Dies haben sie jedoch nicht mit Protestmärschen, sondern mit Artikeln in Zeitungen und Zeitschriften durch Veröffentlichung ihrer Probleme gemacht. Im Jahre 1895 wurde das Blatt „Zeitung für Frauen“ vollständig von den Frauen herausgegeben. Die erste türkische Autorin war Fatma Aliye. Die berühmte türkische Schriftstellerin Halide Edip war zugleich eine politische Führerin und erhielt die Bezeichnung „erste Gefreite“, die an dem Türkischen Unabhängigkeitskrieg aktiv teilnahm.
Nach 1923 mit der Gründung der Republik
Nach der Proklamation der Türkischen Republik hat Atatürk für die Modernisierung der Türkei einige Reformen eingeleitet. Während die türkischen Reformen einerseits darum bemüht waren, eine moderne und westliche Gesellschaft zu bilden, war eines der vorrangigsten Ziele Atatürks den türkischen Frauen ihre Rechte zu geben. Atatürk wollte, dass die türkischen Frauen und Männer im Leben die gleichen Rechte und Verantwortungen teilten. Das Bildungssystem von 1924 gewährte den Frauen mehr Freiheit und ermöglichte beiden Geschlechtern gleiche Bildungschancen. Der mutigste Schritt war nicht die Anerkennung der politischen Rechte für Frauen, vielmehr die Einführung der neuen Zivilrecht. Darin wurde der Status der türkischen Frau neu definiert. Die Scheidungs- und Erbrechte wurden geändert.
Mit dem Inkrafttreten des Zivilrechts im Jahre 1926 erhielt die türkische Frau die gleichen Erb- und Scheidungsrechte wie die Männer. Sie bekam ferner das Recht ohne Erlaubnis ihres Ehemannes Besitztümer anzuschaffen. Religiöse Ehen (“Imam-Ehen”) und das Heiraten mit einem Vertreter wurde verboten. Bei Scheidungen wurden schützende Maßnahmen für Frau und Kind angenommen.
Zu den politischen Rechten; als vor der Proklamation der Regierung, im Parlament vorgeschlagen wurde, die Frauen auch innerhalb der Bevölkerung mitzuzählen, wurde dieser Vorschlag von allen Abgeordneten abgelehnt. In dieser konservativen und fanatischen Situation versuchte Atatürk der türkischen Frau ihre politischen Rechte zu gewähren und setzte sich dafür ein.
Mit dem Gesetz vom 5. Dezember 1934 hatten die Frauen das passive und aktive Wahlrecht erhalten. Somit hatten die türkischen Frauen dieses Recht viel früher erlangt als viele andere Frauen der Welt. Atatürk wollte mit der Anerkennung der politischen Rechte der Frauen sowie die Wahl von 15 Frauen ins Parlament, seine Verbundenheit an das demokratische System darlegen.
Trotzdem liegt noch vieles im argen, so haben im Schnitt nur knapp ein Drittel der verheirateten Frauen in der Türkei eine Arbeit. Trotz einer sehr hohen Zahl von Professorinnen an den Universitäten spielen Frauen in der Politik kaum eine Rolle, das zieht sich bis hinunter auf die kommunale Ebene – so sind nur 2 der über 80 Kaymakams (Landräte) weiblich.
Auch ist die Analphabetenrate der Mädchen in der Türkei immer noch relativ hoch, besonders in den östlichen Regionen – daran ändert sich erst langsam etwas, nicht zuletzt durch von Prominenten unterstützte Kampagnen wie „Hadi kızlar, okula!“ (Auf, Maedchen, in die Schule!“ oder „Baba beni okula gönder!“ („Papa, schick mich in die Schule!“) – hier ist der Weg aber auch noch weit.
Jede siebte Frau in der Türkei heiratet nach Erkenntnissen eines Parlamentsauschusses vor ihrem 18. Lebensjahr. Bei etwa jeder fünften der insgesamt 35,6 Millionen Frauen in der Türkei wählten dem Bericht zufolge die Familien den Ehemann aus, bei 2,1 Millionen Hochzeiten wurde ein Brautgeld ausgehandelt. Rund 1,7 Millionen Ehen werden zwischen engen Verwandten geschlossen, meist zwischen Kusinen und Vettern. Laut der Untersuchung nimmt die Zahl dieser Art von Ehen mit steigendem Bildungsgrad stark ab.
Quellen:
Atatürk Araştırma Merkezi Başkanlığı
TRT