Heiße Quellen und Feenkamine – Winterreise nach Afyon

Nach Jahren war es wieder einmal höchste Zeit, eine unter einheimischen Touristen sehr beliebte, aber bei ausländischen Touristen kaum bekannte Region zu besuchen: Afyon mit seinen heissen Quellen und der relativ neu erschlossenen Region rund um einen Abschnitt des Phyrgischen Tals. Eins vorab: fahren Sie, wenn Sie hier in der Türkei keine Schulkinder haben, niemals während der Winterferien; die letzte Januar- und erste Februarwoche ist absolute Hochsaison.

Die Gegend an sich ist nicht besonders sehenswert im Winter, umgepflügte Felder prägen etliche Kilometer weit das Landschaftsbild, gesäumt von schneebedeckten Bergen. Die Stadt wird beherrscht von seinem steilen Burgberg – der ist aber auf jeden Fall ein Muss für jeden, der keine Knie- oder Konditionsprobleme hat. Gefühlte Tausende von Stufen winden sich die Treppen den steilen Burgberg hinauf, der allerdings nicht mehr viel mehr zu bieten hat als das Erfolgserlebnis, diesen Berg bezwungen zu haben. Dieses Jahr war es leider aufgrund der Wetterverhältnisse (starker Nebel, Schneefälle und vor allem eisig-rutschige Stufen) nicht möglich, den Burgberg zu erklimmen.

Die Burg von Afyon im Schneegestöber….

Wenn die Sonne scheint, ist die Aussicht allerdings grandios und wenn man zur Zeit des Mittagsgebets schon recht weit oben ist, dann sorgt der Schall des Muezzins der unzähligen historischen Moscheen für eine Gänsehaut auch bei weniger gläubigen Kletterern. Die Akustik ist überwältigend.

Mit diesem Ausblick wird man bei schönem Wetter belohnt.

Auch bei unserem zweiten Besuch haben wir es leider nicht geschafft, die sehenswerte Ulu Camii (Moschee) und das Archäologische Museum zu besuchen – aber der Hauptgrund waren ja die heißen Quellen. Es gibt hier in der Region Hotels für jeden Geldbeutel, sogar ein All-Inclusive-Hotel hat sich angesiedelt. Wir haben uns aber – da nur zu zweit und dieses Mal ohne Kinder – ganz „coronagerecht“ für eine eigene Unterkunft entschieden. All inclusive und Halbpension haben wir hier absolut nicht vermisst, da es in unmittelbarer Nähe zwei große Shoppingmalls gibt und man außerdem im 10 km entfernten Afyonkarahisar sehr lecker und preisgünstig essen kann. 2020 wurde Afyon von der UNESCO als „Stadt der Gastronomie“ ausgezeichnet. Schicke und moderne In-Lokalitäten sucht man hier allerdings vergebens. Der Schwerpunkt wird auf traditionelle Gerichte mit regionalen und saisonalen Zutaten gelegt.

Das Mihrioğlu Konağı befindet sich in einem Herrenhaus von 1905

Für ein ganz besonderes Abendessen haben wir uns das restaurierte Mirioğlu Konağı von 1905 ausgesucht, ein Restaurant, das sich der regionalen Küche verschrieben hat. Als „Afyon Sira Yemeği” steht ein reichhaltiges Menu für 90 TL pro Person auf der Karte, mit Tandir Corbasi (eine legierte Rinderbrühe), Mussakka, dickem Joghurt, mit Fleisch gefüllte Weinblätter und gekochtes Rindergulasch. Zum Nachtisch gab es Ekmek Kadayif (ein spezielles Brot das mit Zuckersirup übergossen wird) mit dem allgegenwärtigen Kaymak.

Als Mittagessen ist das traditionelle Lokal „Aşçı Bacaksız” ein absolutes MUSS. Man sagt, dass man nicht in Afyon war wenn man dort nicht das berühmte Lammfleisch gegessen hat – und dort gibt es auch nur genau dieses eine Gericht und auch nur täglich in begrenzter Menge. Das Fleisch ist allerdings das beste, was ich bisher gegessen habe. Zusammen mit frischem Fladenbrot und perfekt gegartem Reis ein Genuss… das Lokal selbst ist bereits seit mehr als 180 Jahren in Familienbesitz. Hier gibt’s ein kurzes Video dazu: Visit Afyon auf Instagram

Unsere Unterkunft

In unserer Ferienwohnung im „Dündar Termal Villaları“ haben alle Einheiten neben dem Hamam einen eigenen Thermalpool. Wobei – Pool ist etwas übertrieben, Badewanne wäre aber untertrieben: er fasst 4000 Liter Thermalwasser. Das Wasser kommt mit geschätzten 45-50 Grad aus der Leitung und man kann dann nach Wunsch kaltes Wasser nachlaufen lassen. Da aus allen Wasserhähnen das leicht salzig schmeckende Thermalwasser kommt, muss man zum Trinken Flaschenwasser kaufen, gibt es aber im zur Anlage gehörenden Market.

Eingang zur Doppelhaus-Siedlung. Rechts ist ein kleiner Market wo man die wichtigsten Sachen bekommt.

Die „Villen“ sind zweckmäßig, aber ordentlich eingerichtete Doppelhaushälften mit (leider sehr überheizter) Fußbodenheizung. In einigen Unterkünften ist zusätzlich eine Sauna oder Jacuzzi zusätzlich zum Thermalpool verfügbar. Das Quellwasser (pH-Wert 6,4, 42 – 53 C) enthält Natriumchlorid, Bikarbonat, Eisen und Kohlensäure und wirkt bei Rheuma-, Haut, – Frauen-, Nerven-, Muskel-, Nieren-, Magen- und Darmerkrankungen, bei Verkalkung und Gelenkversteifung.

Ein Hamam und einen 4 Tonnen Thermalpool ganz für uns alleine!

Einkaufen

Afyon ist bekannt für seine Sucuk, die luftgetrocknete Knoblauchwurst – hier soll sie besonders gut schmecken. Ausserdem gibt es nur hier das Kaymakli Lokum, eine Kalorienbombe, die jede Sünde wert ist. Das fluffige, schaumige Lokum hat einen Kern aus dickem Kaymak, Büffelsahne mit sagenhaften 60% Fett, und ist umhüllt von Kokosflocken. Auch Käse und Butter ist hier ein lohnenswertes Mitbringsel. Was ich eher vermisst habe sind Läden, die Waren, meinetwegen auch Souvenirs rund um Thermalbaden und Hamam anbieten. Als Ausgleich gibt es in der Innenstadt etliche kleine Läden mit typisch anatolischen Antiquitäten, insbesondere Kelims und Zinngeschirr.

Antiquitäten an jeder Ecke….
Getrocknetes Gemüse – und Getrocknete Kekse
Überall gibts Sucuk
Das typische Lokum mit Kaymak haben wir hier gekauft. Mit dem Kaymak sind wir leider reingefallen – der war schon sauer als wir zuhause ankamen. Besser nicht als Mitbringsel einplanen, diese fette Sahne ist extrem empfindlich.

 

Was ich eher vermisst habe sind Läden, die Waren, meinetwegen auch Souvenirs rund um Thermalbaden und Hamam anbieten. Als Ausgleich gibt es in der Innenstadt etliche kleine Läden mit typisch anatolischen Antiquitäten, insbesondere Kelims und Zinngeschirr.

Geschichte der Region

Bereits in der Kupfer- und Eisenzeit soll die Region mit ihren heißen Quellen als Siedlungsgebiet gedient haben. Auch die Hethiter haben bereits hier gesiedelt, wie erste Ausgrabungen in den Jahren 1935-1937 durch die Oxford Universität unter der Leitung des Archäologen Dr. Winifred Lamb ergaben. Die Artefakte werden im Archäologischen Museum von Afyon ausgestellt. Nach den Hethitern besiedelten die Phyrgier die weite Ebene mit ihren heißen Quellen – sie nannten die Region “Pentapolis” und gründeteten die Städte Otrus (Çorhisar), Bruzus (Karasandıklı), Eucarpeia (Emirhisar), Hierapoeis (Koçhisar) und Stectorion (Menteş). Danach verschwand die Region für viele Jahre im Dunkel der Geschichte. Erst die Römer entdeckten diese in den Jahren 72 vor Christus bis 395 nach Christus wieder. Bis zum Jahr 1072 n. chr. stand die Region dann unter Byzantinischer Herrschaft, erobert wurde die Region von Sultan Alparslan, der sie wiederum im Jahr 1115 an die Seldschuken verlor.

Geschmackssache: ein Gips-Phyrgier hält Wache.

Die Burg von Afyonkarahisar (türkisch: Afyonkarahisar Kalesi) ist eine um 1350 vor Chr. von den Hethitern erbaute Befestigungsanlage in Afyonkarahisar in der Türkei. Sie steht auf einem 226 m hohen Felsmassiv. Unter dem Namen Akroinos gehörten Stadt und Festung zu Pergamon, später zum Römischen Reich und ab 395 n. Chr. zu Byzanz. Die Seldschuken, die die Stadt im 12. Jhd. eroberten, bauten die Festung erheblich aus, ab 1428 gehörte sie zum Osmanischen Reich und war Hauptstadt eines Sandschaks, eine Verwaltungseinheit, die in etwa mit der Bedeutung der heutigen Provinzen vergleichbar ist. Während des Nationalen Befreiungskrieges gelang der türkischen Armee unter Mustafa Kemal Paşa in der Schlacht am Hügel Kocatepe bei Afyon vom 26. August bis zum 30. August 1922 ein entscheidender Schlag gegen die griechischen Truppen (Büyük Taaruz).

Teilweise sind die Häuser sehr schön restauriert

Die Altstadt an sich ist sehenswert als typisch anatolische Kleinstadt – aber leider hinsichtlich der Parkplätze mehr als chaotisch. Man muss schon einige Stunden einplanen, wenn man sich wirklich alles zu Gemüte führen will – gutes Schuhwerk und gute Kondition sind aber dringend angeraten! So, wie man in Antalya je nach Saison am Straßenrand Erdbeeren und Orangen kaufen kann, stehen an den Straßen der Region unzählige Stände mit den regionalen Zwiebeln, Kartoffeln und dem regionaltypischen, derben und schmackhaften Kartoffelbrot.

Rund um Afyon erstrecken sich im Sommer ausgedehnte Schlafmohnkulturen. Der Opiumanbau besitzt im Orient eine lange Tradition. Vermutlich brachten die Assyrer das Wissen über die Opiumgewinnung nach Kleinasien. Sumerische Inschriften priesen Schlafmohn bereits vor 6000 Jahren als „Pflanze der Freude“, die alten Ägypter und Griechen nutzen ihn als Heilmittel. Für die weite Verbreitung des Schlafmohns sorgten schließlich die Araber.  Auch im ausgehenden Osmanischen Reich war Opium sehr populär. Aus dem rund um Afyon angebauten Mohn werden heute jährlich 1.000 Tonnen Opium für den medizinischen Bedarf produziert. Damit steht die Türkei nach Frankreich und Australien weltweit an dritter Stelle der legalen Opiumproduzenten. Im Frühsommer geben die knallroten, lila und weißen Blüten ein im wahrsten Sinne des Wortes berauschendes Farbenspiel ab. Um Missbrauch zu verhindern, erfolgt der Schlafmohnanbau unter strenger staatlicher Regie und Kontrolle. Die jungen Pflanzen werden schon geschnitten, bevor der narkotisierende Saft zu fließen beginnt. Afyon ist übrigens das türkische Wort für Opium.

Frig Vadisi

Das Phyrgische Tal (Frig Vadisi)

Das Phrygische Tal (türk.: Frig Vadisi) liegt zwischen Afyon und Eskişehir im Westen der Türkei und erstreckt sich von Döğer (bei İhsaniye) über Alanyurt bis nach Seydiler; insgesamt sind es etwa 135 km. Auf der ganzen Strecke sind Tuffsteinkamine (Peri Bacaları), ähnlich wie in Kappadokien zu erkennen. Nachdem wir uns 2019 bereits die Region um den Emre See (da wo der berühmte Kaiser Midas gelebt haben soll) angesehen haben, sind wir dieses Mal die knapp 30 km von Afyon bis zum Dorf Ayazini gefahren- und was wir dort gesehen haben, hat uns vollkommen überrascht!
Das ganze Dorf wird derzeit unter aufsicht des Provinzgouverneurs von Afyon (der Vali) und mit Mitteln der UNESCO restauriert. Man kann sehr gut den Fortschritt sehen, die ersten Häuser sind bereits fertig gestellt und auch ein Hotel gibt es in dem Dorf. Im Hinteren Bereich wurde trotz des schlechten Wetters (es schneite) überall gehämmert, gewerkelt und teilweise schon eingerichtet. Bis zum Frühjahr 2022 will man hier fertig sein.

Die erste Hälfte der Hauptstrasse ist bereits fertig renoviert
in der zweiten Hälfte wurde überall gehämmert und gewerkelt.

Man sieht in den Fels gehauene Siedlungen, die noch bis zur byzantinischen Zeit bewohnbar waren. Wohnungen, Klöster, Kirchen und kleine Burgen aus der Frühzeit des Christentums sowie Felsengräber und Straßen aus der phrygischen und hethitischen Zeit. Hier waren Treffpunkte der Emre-Derwische aus der Frühzeit des Islams in Anatolien. In Ayazini sieht man außerdem das Löwentor, die schwarze Marienkirche und andere Hinterlassenschaften aus früheren Jahrhunderten – leider vieles nicht so gut erhalten wie in Kappadokien, auch weil die Region viel länger im Dornröschenschlaf lag.

Der Ort liegt in einem von Südwesten nach Nordosten verlaufenden Tal, das eine Tufflandschaft aufweist, die von Felsenkirchen und -wohnungen in der Art der kappadokischen Höhlenbauten durchzogen ist. Der bedeutendste sakrale Bau ist eine byzantinische Kreuzkuppelkirche im Südwesten des Tals. Sie hat ein Tonnengewölbe, eine Reihe von sechs (abgebrochenen) Säulen sowie eine weiter in den Felsen reichende Taufkapelle. Bemerkenswert ist, dass Haupt- und Nebenapsiden sowie ein Teil der Kuppel nicht nur von innen in den Stein gearbeitet sind, sondern auch an der Außenseite modelliert sind.

eine alte Kirche und davor ein nach wie vor genutzter muslimischer Friedhof

Im weiteren Verlauf des Tals finden sich noch kleinere Kapellen, ein größerer Wohn- und Klosterkomplex in einem Nebental sowie Felsengräber römischen Ursprungs. Einige dieser Gräber befinden sich oberhalb des islamischen Friedhofs, darunter das Grab mit den ionischen Säulen, das in zwei Stockwerken jeweils zehn Nischengräber enthält. Das Grab wurde in byzantinischer Zeit in eine Kirche umgewandelt. In einem weiteren Grabbau ist ein Relief mit zwei Löwen zu sehen.

Das Löwentor
Die Felsenburg Avdalaz – erklettern nur bei gutem Wetter und für fitte Menschen!

Außerhalb des Dorfes findet man die Felsenburg Avdalaz. Die gesamte Region ist wie geschaffen für Familien mit etwas größeren Kindern mit Entdeckergeist – gefährliche Ecken gibt es kaum und man kann nach Herzenslust in den Kirchen und Höhlen herumklettern. Auch für Wanderer ist die Infrastruktur perfekt, zumal es immer wieder kleine Brunnen mit Trinkwasser gibt.

Ausgerechnet am Abreisetag wurden wir morgens von einer dicken Schneeschicht überrascht – am liebsten wären wir noch geblieben…

Rückfahrt…

Anfahrt: es gibt direkte Busse von Alanya nach Afyonkarahisar, man kann z.B. mit den Gesellschaften Metro oder Alanyalilar für ca 120 TL bis in die Stadt fahren, fast alle Hotels unt Unterkünfte bieten einen Abholservice. Allerdings ist es besser mit dem Mietwagen zu fahren – man ist unabhängig und kann die Gegend “erfahren”. Die Strassen sind bestens ausgebaut und nicht allzustark befahren.

Adressen:

DÜNDAR TERMAL VILLALARI
Kütahya Karayolu 14. Km – Afyonkarahisar / Türkiye
(Özdilek und Afiyum Shoppingcenter in der Nähe)
https://www.dundartermal.com/

Telefon 0 (272) 252 51 21

AŞÇI BACAKSIZ KUZU TANDIR LOKALI
Karaman, Yeni Saraçlar Çarşısı Sk No:6,
Afyonkarahisar Merkez/Afyonkarahisar
NUR MITTAGESSEN!

MİHRİOĞLU KONAĞI (Mehmet Mihrioğlu) Restaurant
Akmescit Mah. Türbe Cad. 6/A Afyonkarahisar Merkez,
0272 214 22 00
0532 688 92 25

AYAZINI DORF
Link zu google maps: Ayazini

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