Nach einem vier Jahre andauernden Verfahren wurde der bekannte Musiker Fazil Say, der aus seiner Abneigung gegen alles Religiöse im allgemeinen und die AKP im besonderen nie einen Hehl machte, nun vom Vorwurf der Blasphemie abschliessend freigesprochen.
Vor vier Jahren war er zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden, weil er einen religionskritischen Tweet weiter getwittert hatte. ein Gericht in Istanbul befand ihn für schuldig, „religiöse Gefühle eines Teils der Bevölkerung“ verletzt zu haben. Er hatte einen Vers aus dem 11. Jahrhundert des persischen Poeten Omar Khayyam weitergetwittert und diesen mit einer sarkastischen Bemerkung versehen. Danach hatten ihn 3 Privatpersonen angezeigt. Nach der Verurteilung im Jahr 2013 zu 10 Monaten auf Bewährung wurde eine Berufung zugelassen, diese aber abgelehnt. Eine erneute Berufung wurde akzeptiert, weil nach der Auffassung des Gerichts nicht ausreichend berücksichtigt worden war, dass Say keine Vorstrafen habe. Danach wurde seit November 2014 vor dem obersten Gericht verhandelt.
Dieses entschied nun, dass der Kommentar von Say von der „Gedanken- und Meinungsfreiheit“ gedeckt seien und damit nicht strafbar.
Im Oktober 2015 hob das Oberste Berufungsgericht auch das zweite Urteil auf und verwies das Verfahren an das Gericht der ersten Instanz zurück. Nach Einschätzung der Berufungsrichter waren Says Twitter-Mitteilungen durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Dieser Auffassung schloss sich das Gericht in Istanbul laut Anadolu nun an.
Say hatte auf Twitter unter anderem mit Blick auf die Koran-Beschreibung des Paradieses als Ort, an dem Bäche von Wein fließen, die Frage gestellt: „Ist das Paradies denn eine Kneipe für euch? Ihr sagt, auf jeden Gläubigen warten zwei Jungfrauen – ist das Paradies denn ein Bordell?“ Später hatte Say mehrfach erklärt, er habe den Islam und gläubige Muslime nicht beleidigen wollen.
Der Prozess war innerhalb und außerhalb der Türkei scharf kritisiert worden. Say ist ein bekennender Atheist und ein bekannter Kritiker der islamisch-konservativen Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Er hatte das Verfahren als politisch motiviert bezeichnet und Erdogan vorgeworfen, selbst hinter dem Prozess zu stehen. Ob sich Say nun nach dem Freispruch bei Erdogan persönlich bedanken wird, ist nicht bekannt.