Beim Türkei-Urlaub sind sie allgegenwärtig: die bunten, meist blau-roten Malereien auf weissen Fliesen, Tellern und Vasen. Kitsch? Nein! Eine „Osmanlı Çini“ (Osmanische Fliesen) genannte Kunst, die in der Türkei schon seit Jahrhunderten ausgeübt und besonders in den Porzellanzentren Kütahya und Iznik auf die Spitze getrieben wurde. Die Keramik hat meist verspielte Blütenmuster aus Tulpen, Nelken, Lilien oder osmanische Szenen. Sammlungen zur türkischen Kunst sind überall in europäischen Museen zu bestaunen. Besonders beliebt waren im 16. Jahrhundert Gebrauchsgegenstände wie Teller, Kannen oder Vasen mit einem leuchtenden Rot, dem sogenannten Bolus-Rot oder dem knalligen, klaren Blau – zu einer Zeit, als es in Europa nur grobe, trüb blaugrüne Feuerware gab. Als Fliesen schmücken sie die Wände bedeutender Bauwerke islamischer Architektur, etwa der Moscheen und Paläste in Istanbul oder Edirne.
Handbemalte Keramiken gibt es auch heute noch gelegentlich zu kaufen, besonders aber im Landesinnern. Die in den Touristenzentren zu erwerbenden Teller und Vasen sind zwar ebenfalls leuchtend bunt mit den traditionellen Mustern bemalt, aber natürlich aus industrieller Herstellung.
Geschichte
Schon seit dem 4. Jahrtausend v. Chr. gibt es Fayence-ähnliche Techniken. Die eigentliche Herstellung der Fayencen begann im 5.Jh in Persien und wurde später dann im islamischen Kulturkreis verbreitet. Besonderen Ruhm erlangten die Iznik Fayencen. Die kleinen, bunten Kacheln sind für die Pracht vieler osmanischer Bauwerke verantwortlich. Zahlreiche Sultane ließen ihre Fayencen ausschließlich in Iznik herstellen, aber nicht nur daß, im gesamten Orient waren die Produkte sehr begehrt. Die Blütezeit der Keramikproduktion in dem asiatischen Ort bei Bursa reichte vom 15. – 17. Jahrhundert. Der arabische Reiseschriftsteller Sa`d ad-Din, schrieb: “Aus der Erde dieser Gegend stellt man Keramiken her, wie man sie mit Worten nicht beschreiben kann. Es ist schwierig, sie von chinesischem Porzellan zu unterscheiden…“
Im 19. Jh. setzte in Europa ein Kaufrausch islamischer, insbesondere osmanischer Keramik ein. In England, Deutschland und besonders in Frankreich entstanden umfangreiche Sammlungen osmanischer Keramik. Aber nicht nur als private Sammelobjekte gelangten die Fliesen nach Europa sondern auch in den Formenstil europäischer Kunst und europäischem Porzellan. Neben dem Einfluss auf einzelne Künstler wie Henri Matisse oder Gustv Klimt, dienten die osmanischen Fliesen als qualitativ hochwertige Keramik als Ausbildungsstücke in allen grossen europäischen Porzellanfabriken. Daraus resultiert heute die Tatsache, dass viele europäische Porzellanmuseen über umfangreiche Stücke wertvoller Keramiken aus osmanischer Produktion verfügen.
Dass die Iznik – Fayencen weltweit eine so große Bedeutung zugeschrieben bekommen, verdanken sie vorallem der besonderen Herstellungstechnik. Der Großteil der Fayencen wurde aus Quarz und Quarziten hergestellt. Da die Glasuren erst bei einer großen Hitzeeinwirkung von 900 °C haften wurde mit den Quarzen und Felskristallen lange herumexperimentiert, bis die perfekte Mischung gefunden wurde. Die ersten Fayencen zeigten schlichte Muster wie Blumen, geometrische Figuren oder Schriftzeichen in Kobaltblau, später kamen die Farben grün und gelb hinzu. Die am schwierigsten zu bewerkstelligende Farbe war das Rot.
Die schönsten Produkte wurden im 16 Jh. gefertigt. Persische Kunsthandwerker die nach Iznik verschleppt worden waren, waren im Besitz einer Technik mit der sie aus einer durch Eisenoxid gefärbten Tonerde ein wunderschönes, kräftiges Rot herstellen konnten. Allerdings nahmen sie das Geheimnis der Herstellung mit ins Grab. Spätere Kopien sind leicht erkennbar durch das leicht schmutzige Rot. Neben all den Farben wie dunkelblau, türkis, lapis lazuli sowie jaspisgrün, gelb und korallenrot wurde auch weiß und opak benutzt. Opak schützt die Fayencen vor Umwelteinflüssen, außerdem wird dadurch das Licht in verschiedene Richtungen gelenkt, so daß die Farben und Motive besser zur Geltung gebracht werden.
Der Niedergang der Izniker Kachelkunst kam mit dem Bau der “Blauen Moschee” in Istanbul. Den Kunsthandwerkern war es verboten während der Bauzeit von immerhin sieben Jahren andere Arbeiten anzunehmen. Allerdings war der Lohn mehr als karg, daher verließen viele Arbeiter Iznik und ließen sich in anderen Gegenden wie z.B. dem Keramikstädtchen Kütahya nieder.
Neue Blütezeit
Inzwischen versuchen Kunsthandwerker in Iznik die alten Traditionen wieder aufleben zu lassen. Nach jahrelangen Forschungsarbeiten wurden die Methoden zur Herstellung der kostbaren Fayencen wiederentdeckt. Die Iznikstiftung verkauft Fayencen die nach alten Methoden per Hand hergstellt werden. Alle Stücke sind Unikate. Im Gegensatz zu den Originalkacheln, die in der Türkei als Antiquitäten gelten, dürfen diese Fayencen legal ausgeführt werden.
Die Tulpe die übrigens aus der Türkei und nicht aus Holland stammt, war ab dem 16. Jh. ein beliebtes Motiv auf Fliesen. Der Türkische Name lâle ist in arabischer Schrift ein Anagramm von Allah, weshalb die Blume bei den Osmanen heilig war. Die idealen Blüten sollten rot und möglichst dolchförmig sein. Durch die “türkische” Blume gesprochen bedeutete das überreichen einer roten Tulpe: ” Deine Schönheit hat mich entflammt.”