Angesichts wachsender Sorgen über Lebensmittelverschwendung plädiert der Vorsitzende der Alanya-Gastronomen- und Pensionenvereinigung, Hüseyin Değirmenci, für ein Umdenken beim beliebten „Serpme Kahvaltı“ (traditionelles Frühstück mit zahlreichen kleinen Speisen). Statt der üppigen Servierweise solle ein „Seçme Kahvaltı“ – ein Auswahlfrühstück – eingeführt werden, bei dem Gäste nur jene Speisen bestellen und bezahlen, die sie tatsächlich verzehren.
Hintergrund ist eine aktuelle Initiative des Präsidialrats für Landwirtschafts- und Ernährungspolitik. Ratsmitglied Ramazan Bingöl hatte zuvor betont, dass durch das „Serpme“-Konzept tonnenweise Lebensmittel unberührt im Abfall landeten. Ein entsprechender Bericht soll Präsident Erdoğan vorgelegt werden.
Değirmenci unterstreicht die Dringlichkeit: „Während in Teilen der Welt Menschen hungern, verschwenden wir hier Lebensmittel – oft nur für ein schönes Foto in sozialen Medien. Viele Produkte werden nicht einmal probiert und landen im Müll. Das ist weder wirtschaftlich noch moralisch vertretbar.“ Er verwies zudem auf ähnliche Probleme im „All-inclusive“-Tourismus, wo ebenfalls erhebliche Mengen an Lebensmitteln weggeworfen würden.
Die vorgeschlagene Umstellung auf individuelle Portionen nach Bedarf könne sowohl Kosten für Verbraucher senken als auch die Verschwendung eindämmen. Değirmenci hofft, dass die laufenden Beratungen zu einer verbindlichen Regelung führen.
Lebensmittelverschwendung in der Türkei auf alarmierendem Niveau
Laut TİSVA werden in der Türkei jährlich pro Person rund 102 Kilogramm Lebensmittel weggeworfen – insgesamt etwa 23 Millionen Tonnen. Besonders betroffen sind Obst und Gemüse: Rund 35 % der Produktion erreichen nie den Verbraucher. Ursachen sind vor allem Fehler und mangelnde Planung in Ernte-, Lager- und Lieferkettenprozessen.
In Privathaushalten, Gastronomie, Einzelhandel und bei der Verteilung tritt der meiste Verlust auf. Allein beim Brot werden täglich rund 12 Millionen Stück entsorgt, was jährlich 4,38 Milliarden Broten entspricht. Eine Reduzierung der Verschwendung um nur 5 % könnte den Jahresbedarf von 900.000 Familien decken und Einsparungen in Milliardenhöhe ermöglichen.
Ramazan Bingöl, Mitglied des Präsidialrats für Landwirtschafts- und Ernährungspolitik, geht davon aus, dass die tatsächliche Verschwendung doppelt so hoch wie offiziell angegeben ist. Messungen in Hotels zeigen, dass allein beim Buffet pro Gast im Schnitt 150 Gramm Essen im Müll landen. In der gesamten Lieferkette werden nach seinen Angaben über 40 % der Lebensmittel verschwendet; fehlende Kühlung verursacht jedes Jahr Verluste in Milliardenhöhe.
Bingöl betont, dass die Schäden nicht nur finanzieller Natur sind, sondern auch ökologische und religiöse Dimensionen haben. Das Wegwerfen von für Menschen hergestellten Lebensmitteln an Tiere oder in die Natur störe das ökologische Gleichgewicht und könne Krankheiten bei Tieren verursachen.
Der Präsidialrat arbeitet derzeit an einer nationalen Strategie gegen Lebensmittelverschwendung, die Gesetzesänderungen, Maßnahmen zur Lebensmittelbank-Nutzung und praktische Empfehlungen enthalten soll. Ziel ist eine dauerhafte, landesweite Präventionspolitik, die als sicherheitspolitisches Thema verstanden wird. Der Abschluss der Arbeiten wird in den kommenden Monaten erwartet.
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