Der Fastenmonat Ramazan beginnt….

Jedes Jahr 11 Tage früher  – in diesem Jahr schon am 06. Juni – beginnt für Muslime in aller Welt der wichtigste Monat im Jahr: die 30-tägige Fastenzeit. Für Urlauber an der Türkischen Riviera hat das allerdings nur bedingt Auswirkungen. Je weiter der Fastenmonat in die die Zeit der längsten Tage rückt – das ist in den nächsten 3 Jahren der Fall – desto weniger Menschen können oder wollen überhaupt fasten, das ist in den touristisch geprägten Gebieten und den Städten, wo dem gesellschaftlichen Druck eher entgangen werden kann, der Fall. So beginnt schon Wochen vorher die Diskussion im Freundes- und Kollegenkreis: „Fastest Du?“ „Ich weiß es noch nicht“ heißt die meist gehörte Antwort derzeit. Für gläubige Muslime gibt es hier allerdings nichts zu überlegen: gefastet wird, unabhängig von der Außentemperatur und von der Länge der Zeit, an der man nichts essen und nichts trinken darf – und damit ist es noch nicht getan…

Jede(r) erwachsene Muslim(a) ist verpflichtet, zu fasten, wenn es seinem/ihrem Körper nicht schadet – das ist die Kernaussage, die eigentlich schon alle Diskussionen um Gesund oder Ungesund beenden könnte.  Ausgenommen sind nämlich Kranke, Reisende, Kinder und schwangere oder stillende Frauen. Auch während der Periode muss eine Frau nicht fasten. Wenn die Gesundheit durch das Fasten gefährdet werden könnte (z.B. als Diabetiker, durch eine Grippe, chronische Krankheiten, Kreislaufprobleme. Medikamente, Verletzungsfolgen), ist man davon ebenfalls befreit. Leistungssportler vor einem wichtigen Wettkampf oder Studenten vor einer Prüfung müssen ebenfalls nicht fasten.

Damit erübrigt sich auch eine Diskussion darüber, ob es gesund ist, bei der Hitze nichts zu trinken. Letztendlich sind auch schwer arbeitende Menschen, die viel draußen sind oder sich stark konzentrieren müssen, von der Fastenpflicht ausgenommen.  Und was machen Muslime am Nordpol? Wer so weit nördlich wohnt, dass die tägliche Fastenzeit 18 Stunden überschreiten würde, soll sich nach den Zeiten der ersten Moschee richten, die in diesem Zeitrahmen liegt. Manche richten sich dann auch direkt nach den Zeiten in Mekka.

Dass es eine Belastung für den Körper ist, ist klar. Für viele Muslime ist das Fasten aber eine spirituelle Erfahrung und es ist müßig, den Sinn und Zweck zu diskutieren. Jedem dürfte klar sein, dass Fasten (besonders nichts trinken) bei diesen Temperaturen für gut 16 Stunden kein Spaziergang sind, auch wenn der Ramazan nun langsam in die kühleren Jahreszeiten rutscht – dafür ist die tägliche Fastenzeit dieses Jahr am längsten, das nächste Mal wird erst wieder in ca 30 Jahren so lange gefastet – wenn der Ramazan wieder in den Juni wandert.
Wer aus Überzeugung fastet, kann das schaffen und oftmals sind diejenigen, die wirklich aus einem inneren Bedürfnis heraus fasten, in diesem Monat trotz der Strapazen besonders ausgeglichen und ruhig – oder einfach nur sehr müde. Für die meisten ist nicht der Verzicht auf Essen und Trinken am schwersten, sondern der permanente Schlafmangel.

Was sollten Touristen beachten?
Auch in den touristischen Gebieten ist es ein Zeichen von Respekt, nicht allzu demonstrativ in der Öffentlichkeit zu trinken, rauchen oder essen. Das macht es den Fastenden oft unnötig schwer. In den Hotels und am Strand wird das allerdings keiner erwarten. Sollte Ihr Gegenüber Ihnen eher hohläugig und/oder gereizt vorkommen, üben Sie sich in Geduld – Sie haben einen Fastenden vor sich. Ebenso, wenn einer unter Mundgeruch leidet – das ist nicht mangelnde Hygiene, sondern der leere Magen.
Da es auch genügend – gerade junge Türken – gibt, die eher auf Druck von aussen hin fasten, kann der eine oder andere Kellner oder Verkäufer schon mal pampig werden. Haben Sie einfach ein bisschen mehr Verständnis für Ihr Gegenüber – es ist ganz sicher nicht persönlich gemeint…
Wenn Sie in dieser Zeit abseits der Touristenströme urlauben, werden Sie ganz sicher tagsüber keine geöffneten Restaurants finden und beim Essen oder Trinken in der Öffentlichkeit sicher mehr oder weniger freundlich darauf hingewiesen werden, dass dies eher keine gute Idee ist. Insbesonders abseits der Touristenströme und in besonders konservativen Gegenden kann das schon mal zu Ärger führen.

Eingeschränkte Geschäftszeiten
Planen Sie ein, dass einige Geschäfte geschlossen sein können. Keine Chance hat man, wenn man bei Sonnenuntergang z.B. Geld wechseln will; alle sind beim Essen. Haben Sie Geduld, in einer halben Stunde haben alle gegessen, dann kommt man immer noch zum Geldwechsel. Es ist ja nicht wie im Winter, wo nach dem Fastenbrechen die Strassen leergefegt und alle Geschäfte geschlossen sind!

Hektik im Strassenverkehr
Noch ein Tipp; vermeiden Sie es möglichst, so etwa Stunde vor dem Fastenbrechen am Straßenverkehr teilzunehmen – alle sind ausgehungert, durstig, übermüdet und gereizt, jeder will noch kurz vor dem Essen ein möglichst heißes und frisches Ramazan-Pide ergattern – das sind spezielle Fladenbrote, die nur im Ramazan gebacken werden und dampfend und duftend kurz vor dem Essen das Wasser im Mund zusammen laufen lassen.
Noch ein Tipp: wenn Sie nicht in aller Hektik in proppenvollen Restaurants sitzen wollen, meiden Sie am besten die Lokale, die ein „IFTAR-MENÜ“ anbieten – wenn Ihnen das pralle Leben allerdings nichts ausmacht, werden Sie mit tollen Menüs zu günstigen Preisen überrascht.

A propos Fladenbrot
Woher die immer wieder gehörte Mär kommt, dass tagsüber nichts gegessen wird und abends dann „Völlerei“ betrieben wird, ist schleierhaft. Sicher gibt es Menschen, die abends gnadenlos zuschlagen. Aber bei sämtlichen Iftar-Essen, bei denen ich teilnehmen durfte, wurde eher sparsam gegessen. Jeder kennt schließlich den Spruch „ich habe den Hunger übergangen“. Es wird allerdings oft hochwertiger gekocht, es kommen bessere Zutaten in die Töpfe, vor allem mehr Fleisch. Außerdem steigt der Konsum an den zuckersüßen Nachtischen im Ramazan stark an – nicht nur wegen der vielen Einladungen, bei denen man (auch außerhalb des Ramazans) obligatorisch Baklava oder ähnliches mitbringt, sondern auch wegen der zweifellos vorhandenen Massen-Unterzuckerung. Man kann diese besonderen Essen an Ramazan auch vergleichen mit zum Beispiel geschäftlichen Weihnachtsdinners im Advent – keiner wird daraus schließen, dass nun alle Deutschen im Advent schlemmen auf Deubel komm raus… es sind einfach besondere Gelegenheiten, an denen Gäste eben auch besonders bewirtet werden. Dennoch nehmen sehr viele Fastende tatsächlich während des Ramazans zu, was wohl einerseits mit dem vermehrten Zuckerkonsum zu tun hat und andererseits auch Wassereinlagerungen sind.

Übrigens: Bewirtung.
In allen Städten der Türkei ist es üblich, dass ein oder mehrere große „Iftar-Zelte“ aufgestellt werden, wo Abend für Abend zum Fastenbrechen gekocht wird. Dieses Angebot ist für viele arme Menschen die einzige Gelegenheit im Jahr, regelmässig eine warme Mahlzeit zu erhalten. Aber auch Angestellte und Geschäftsleute in umliegenden Vierteln nutzen das Angebot gerne – keiner fragt nach dem Woher und Warum: wer da ist, bekommt zu essen.

Die wichtigste Nacht des Ramazan
Die “Kadir gecesi” ist eine besondere Nacht zum Ende des Fastenmonats Ramazan wird als “Nacht der Allmacht” oder auch “Nacht des Schicksals” sowie “Nacht der Bestimmung” übersetzt. Sie fällt, je nachdem wie lange der Ramadan dauert, auf den 26. oder 27. Tag des Mondmonats. In dieser Nacht wurden nach islamischem Glauben dem Propheten Mohammed durch den Erzengel Gabriel zum ersten Mal Suren des Koran offenbahrt. Vermutlich war dies der 27. Ramadan 610 nach islamischer Zeitrechnung.
In der 97. Sure Al-Qadr heisst es im Koran: “Wir haben ihn wahrlich in der Nacht des Schicksals herabgesandt. Und was läßt dich wissen, was die Nacht des Schicksals ist? Die Nacht des Schicksals ist besser als tausend Monde. In ihr kommen die Engel und der Geist mit ihres Herrn Erlaubnis herab, mit jeglichem Auftrag. Frieden ist sie bis zum Anbruch der Morgenröte.”

Einladung
Wenn Sie bei Freunden oder Nachbarn zum Fastenbrechen eingeladen werden, ist das ein Vertrauensbeweis. Sie können sich auch dann revanchieren, wenn Sie selbst nicht fasten. Oft sind diese Einladungen auch wichtige Geschäftsessen, bei denen dann ganz besonders „aufgefahren“ wird – daher kommt vielleicht der Irrtum, dass im Ramazan abends immer und überall „gevöllert“ wird. Zuhause wird aber meistens nichts besonders aufwendiges gekocht, die Fastenden bevorzugen herzhafte, einfache Gerichte (die man schnell und umkompliziert essen kann). Wichtig sind nur einige Dinge: Stellen Sie vor dem Essen Wasser und Datteln bereit. Alternativ gehen auch andere getrocknete Früchte oder Oliven. Traditionell wird das Fasten damit gebrochen. Auch eine Suppe sollte unbedingt serviert werden und natürlich der unvermeidliche Nachtisch hinterher. „Dazwischen“ können Sie ganz normales Essen planen. Dann steht einem gemeinsamen Fastenbrechen nichts mehr im Wege…. Der Fastemmonat endet in diesem Jahr am Dienstag, den 05. Juli 2016. Infos rund um das auch „Zuckerfest“ genannte zweitwichtigste religiöse Fest finden Sie in der nächsten Austabe des Print-Magazins.

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