Seit Beginn diesen Jahres dürfen Zigaretten in der Türkei nur noch in einheitlichen schwarzen Verpackungen (plain packaging) verkauft werden, auch der Markenname darf nur noch in einer vorgechriebenen Schrift und Größe aufgedruckt sein.
Auf der Packung dominieren großflächige Schockbilder und Warnungen – allerdings sind auch die Hinweise auf Inahltsstoffe verschwunden. Auf den neuen Paketen, die zu 85% mit Warnhinweisen bedeckt sein müssen, steht zwar “Rauchen tötet – jetzt aufhören”, “Tabakrauch enthält mehr als 70 Substanzen, von denen bekannt ist, dass sie Krebs verursachen”, Aber der Hinweis, wieviel Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid die Zigarette tatsächlich enthält, wurde entfernt.
Gesundheitsminister Koca sagte am Rande eines Gesundheitsforums, es liege in der Verantwortung aller, alle Formen von Sucht und Missbrauch zu verhindern, einschließlich Tabak, Alkohol, sonstige Substanzen und Technologie. Er betonte, dass das Budget für Präventiv- und primäre Gesundheitsdienste 3,8 Milliarden Türkische Lira erreicht hätte und sich im Zeitraum von 2002 bis 2019 um das 3,8-fache erhöhte. Das für 2020 veranschlagte Budget werde auf 20 Milliarden 846 Millionen TL erhöht.
Auf die Kritik an städtischen Krankenhäusern antwortete Koca, es seien 65 Prozent der gesamten öffentlich-privaten Projekte saniert und 35 Prozent vollständig neu erbaut worden. Während in einigen Regionen neue Krankenhäuser erbaut wurden und noch werden, wird ein erheblicher Teil unserer alten Krankenhäuser bedarfsgerecht renoviert und der betrieblichen Gesundheitserziehung mit spezialisierten Gesundheitsdiensten gewidmet. In den letzten 5 Jahren wurden 351 Gesundheitszentren mit allgemeinen Haushaltsmitteln errichtet und die Bettenkapazitäten landesweit um 31.096 Betten erweitert. Davon wurden 13.423 Betten in 10 städtischen Krankenhäusern in Betrieb genommen.
Andauernder Kampf gegen die Nikotinsucht
Die Regierung führt seit Jahren einen Kampf gegen den Blauen Dunst, der vor allem durch die Abneigung von Staatspräsident Erdogan befeuert wird. Von ihm ist bekannt, dass er das Zigarettenrauchen so sehr ablehnt, dass er schon mal rauchende Passanten, die seinen Weg kreuzen, zurecht weist.
Die zunehmede Verteuerung der Zigaretten und die Regulierung, wo überall nicht geraucht werden darf (in Restaurants, in öffentlichen Gebäuden etc, sogar das Rauchen auf der Strasse soll verboten werden, sagen Gerüchte) sorgten für einen stetigen Rückgang der Raucher. Man erhofft sich durch die neue Umverpackung einen weitere Rückgänge.
Geschmacksveränderung sorgt für Kritik und Ärger
Raucher berichten allerdings, dass sich der Geschmack der Zigaretten verändert habe, seit es die schwarzen Verpackungen gäbe. Allerdings gibt es dafür eine Erklärung:
(entnommen und übersetzt aus dem sehr regierungskritischen Forum “eksi sözlük”)
“Als jemand, der zuvor im Verkaufsteam einer großen Zigarettenfirma gearbeitet hat, kann ich sagen, dass es nach dem Verpacken von Tabakwaren eine Wartezeit gibt, damit die Zigarette den bekannten Geschmack annimmt. Der Grund für die Änderung des Geschmacks nach jedem Packungswechsel ist, dass die Trocknungszeit in der Packung nicht abgeschlossen ist.
Die neuen schwarzen Verpackungen wurden erst kürzlich für den Verkauf zugelassen und die Zigaretten, die jetzt auf den Markt gebracht werden, sind alle ganz frisch verpackt. Daher wird es einige Zeit dauern, bis die neuen Zigaretten wieder wie gewohnt schmecken.”
Andere Nutzer sind der Meinung, dass der andere Geschmack “psychologisch” bedingt sei.
“Die Erinnerung an die Form der alten Zigarettenschachtel wird mit der Zeit verblassen. Es ist üblich, dass wir Probleme mit Neuem haben, weil wir uns nicht sofort an alles anpassen können. Hier sollte auch Ihre “Beziehung” mit der alten Packung überprüft werden – Sie haben möglicherweise eine besondere Verbindung dazu (wenn Sie die Zigarettenpackung sehen, freuen Sie sich mehr darüber, als die Zigaretten zu sehen). Dies kann ein Hindernis sein, um sich an die neue Situation zu gewöhnen. Aber die Zeit ist eine großartige Droge.”
Und wie halten es andere Länder?
- Vorreiter dieser Einheitsverpackung ist Australien. Downunder sind Marken-Verpackungen von Zigaretten bereits seit 2012 untersagt. Hier haben Untersuchungen ergeben, dass weitaus mehr Raucher überlegen, damit aufzuhören und die Zahl der Raucher tatsächlich sinkt. Allerdings steigt eine Zahl stark an: die Anzahl der illegal/unversteuert verkauften Zigaretten.
- Auch in Neuseeland und Rumänien gibt es bereits seit Jahren die Einheitsverpackung.
- Ungarn wollte 2019 die Einheitsverpackung einführen, hat dieses aber kürzlich auf 2022 verschoben.
- Kanada setzt seit November 2019 auf Plain packaging.
- Slowenien und die Niederlande führen ebenfalls seit 01.01.2020 die Einheitsverpackung ein
- Die EU-Kommission schlug bereits 2010 vor, einheitlich aussehende schwarz-weiße Zigarettenpackungen einzuführen und Logos, Schriftzüge und Farben von den Schachteln zu verbannen. Erlaubt sollten demnach dann nur noch Warnhinweise sowie der Markenname in standardisierter Schrift und Größe sein. Zigaretten sollten dann auch künftig nicht mehr sichtbar in den Geschäften platziert werden, Zusatzstoffe wie Zucker oder Kakao zu verbieten und Schockbilder verpflichtend in allen Mitgliedsländern einzuführen. Durchgesetzt wurden jedoch nur die großformatigen Schockbilder, die seit 2016 verpflichtend sind.
- In Österreich wird das Thema diskutiert, jedoch wegen der “besonderen Schutzwürdigkeit” der Tabakkonzerne nicht umgesetzt.
- In der Schweiz wurde die Einführung der Einheitspackung am 29. September 2016 – nachdem der Bundesrat am 5. Dezember 2014 die Ablehnung beantragte – vom Nationalrat mit 53 zu 139 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt.
- In Irland waren Zigarettenpackungen bereits vor 2010 aus dem Blickfeld der Raucher gerückt. Der Käufer wählt aus einer Art Speisekarte, der Verkäufer holt die gewünschte Packung dann unter dem Ladentisch hervor. Die einheitliche Verpackung soll auch hier in Kürze eingeführt werden.
- In Norwegen sehen seit 2017 alle Verpackungen von Tabakprodukten gleich aus. Laut Gesetz sind Logos, Farben und Bilder auf den Verpackungen von Tabakwaren verboten. Die grünbraune Einheitsverpackung gilt für alle Tabakwaren.
- In Frankreich, wo das Rauchen sehr populär war und zum Lebensgefühl des französischen “savoir vivre” gehört, ist ebenfalls seit 2017 Schluss mit bunt. Vom 1. Januar 2017 an sind die Gauloises-Schachteln nicht mehr blau. Einheitlich olivgrau müssen sie nun sein – so wie die anderen Zigarettenpackungen auch.
- Weitere Länder wie Uruguay, Israel, Saudi-Arabien, Georgien, Thailand haben eine Einführung beschlossen oder beraten darüber.
Die Tabakindustrie wehrt sich mit Millionensummen, Werbekampagnen und Prozessen gegen die Vereinheitlichung der Packungen, die sie als “Enteignung” ihrer Markenwerte ansehen. Bislang sind die milliardenschweren Konzerne trotz Prozessen und intensiver Lobbyarbeit bei den meisten Gerichten gescheitert.