1. Jahrestag der Katastrophe….

Die Wunden sind noch lange nicht verheilt - vielleicht nie.

Vor einem Jahr war das fürchterliche Erdbeben in der Türkei … Selbst in Alanya und Antalya waren die Ausläufer zu spüren. Manche sind um 04:17 aufgeschreckt, manche haben das zweite Beben um die Mittagszeit gespürt. Hier in Alanya grummelt die Erde ja öfters mal, aber dieses Mal war es anders, man hat gespürt, dass es eine Katastrophe war … nur über das immense Ausmaß war man sich an diesem Montagmorgen nicht bewusst.  Über 50.000 Menschen haben ihr Leben verloren, Millionen waren betroffen, 12 Großstädte und unzählige kleinere Städte und Dörfer …

Eine Katastrophe, die mit kaum einer anderen vergleichbar ist in ihrer überwältigenden Dimension und den verheerenden Folgen. Heute sind die Nachrichten voll über den Jahrestag … Einseitig je nach Ausrichtung des Senders, sodass man zappen muss, um ein „einigermaßen“ klares Bild zu bekommen:

Die einen stehen – sorgfältig ausgewählt, jeweils Zeit und Ort – im Regen und Nebel vor Trümmern im Schlamm und sprechen mit weinenden Überlebenden über Korruption, Unfähigkeit und Versagen. Ja, das bricht einem das Herz. Und es ist keine Lüge, natürlich nicht. Aber auch nicht die ganze Wahrheit.

Die anderen zeigen Baustellen, fertige Ladenzeilen, Wohnungsübergaben und neue Siedlungen bei sonnigem Wetter. Alles ist im Plan, alles wird gut, morgen vielleicht noch nicht, aber spätestens übermorgen. Alles ist richtig so.  Auch das ist nicht gelogen, natürlich nicht. Aber auch nicht die ganze Wahrheit.

Das ZDF schreibt in seinem Artikel „Wiederaufbau unter Erdoğan“:

In den ersten zehn Monaten flossen fast 12 Milliarden Euro in den Wiederaufbau. Über 80.000 Container wurden aufgestellt. Allein in Hatay wurde binnen neun Monaten ein 400-Betten-Krankenhaus aus dem Boden gestampft, Straßen wurden neu geteert, Brücken repariert, Wohnsiedlungen in höher gelegenen Bezirken Antakyas errichtet, außerhalb der erdbebengefährdeten Zone.

Also von „nichts ist passiert“ kann keine Rede sein. Aber es ist immer noch viel, viel zu wenig, zu langsam, zu mühsam, vor allem für diejenigen, die das Beben überlebt haben und zu allen körperlichen und seelischen Wunden noch einen täglichen Überlebenskampf meistern müssen. Viel zu viele Menschen leben noch in Zelten und Containern. Den einen geht es nicht schnell genug, die anderen prangern das Beseitigen von Beweismitteln (sprich: Trümmer) an.

Für eine Katastrophe dieses Ausmaßes gibt es aber kein Patentrezept…. aber diese – und das gilt für ALLE Seiten – als Wahlkampfpropaganda oder populistische Schuldzuweisungen zu missbrauchen, ist einfach nur falsch und deprimierend.  Ich hätte mir aber mehr Ehrlichkeit gewünscht von beiden Seiten, etwas mehr Leben für den Slogan „Türkiye tek yürek“ – die Türkei ist EIN Herz – gewünscht und weniger Propaganda.


 

Über Martina Yaman 13 Artikel
Seit Mai 2001 lebe ich in Alanya, verheiratet und Mama von 2 Pubertieren. Neben der Familie beschäftige ich mich hauptsächlich damit, zu schreiben, im Geschäft meines Mannes (Autovermietung und Reisebüro) mitzuarbeiten und wenn dann noch Zeit ist, zu fotografieren und mein großes Hobby, die traditionelle Ebru-Kunst ("Papier marmorieren") zu betreiben.
Verified by MonsterInsights