Tüte adé – das Ende der Plastiktüte in der Türkei

kostenpflichtig ab Januar 2019, schrittweise Abschaffung bis 2022 geplant

Dem verschwenderischen Umgang mit Plastiktüten wird ein Ende gesetzt. Sie werden zwar nicht komplett verboten, aber in Zukunft nicht mehr kostenlos und massenweise an den Kassen ausgegeben werden – für eine Tüte werden ab Januar 25 kurus – etwa 4 Cent – berechnet. Wem das wenig vorkommt: für den Gegenwert von 5 Tüten bekommt man ein Brot…  Ursprünglich sollte das Verbot bereits ab 2018 greifen, aber nach massiven Protesten der “Plastiktütenindustrie” wurde das Gesetz zunächst auf 2022 verschoben, aber nun wurde die Einführung doch auf den 01. Januar 2019 verlegt und die Türken sollten beginnen, sich an den Gedanken einer wiederverwendbaren Einkaufstasche zu gewöhnen. 

Die Änderungen, die vom Ministerium für Umwelt und Stadtentwicklung im Zuge der Harmonisierung mit den EU-Richtlinien eingeführt werden sollten, haben zu erbitterten Debatten geführt.  Schliesslich geht es um einen Geschäftszweig mit einem Volumen von ca 1,5 Milliarden Dollar.

Nach dem Willen des Ministeriums sollen “leichte” Einmalplastiktüten ab 01.01.2019 nur noch kostenpflichtig abgegeben werden dürfen. Derzeit werden in der Türkei jährlich etwa 200.000 Tonnen Plastiktüten produziert, zählt man noch andere Verpackungen wie Kleiderbeutel, Versandmaterial aus Plastik oder industrielle Verpackungen hinzu, steigt diese Zahl auf ca 510.000 Tonnen Plastikverpackungen – jedes Jahr.

Der gesamte Sektor der flexiblen Verpackungen hat nach Angaben des Ministeriums ein Volumen von 5 Milliarden Dollar pro Jahr. Insgesamt wurden im letzten Jahr 82.000 Tonnen exportiert und 6.000 Tonnen importiert. Die Exporte hatten ein Volumen von 226 Mio Dollar.  Bei dem Verbot der kostenlosen Abgabe der Plastiktüten in Supermärkten und Geschäften wird also nicht gerade eine Nischenbranche betroffen, entsprechend massiv war auch der Widerstand gegen das geplante Verbot.

Aus dem Ministerium hiess es weiter, dass man das Verbot sensibel handhaben müsse, da es auch eine Industrie und damit Arbeitsplätze und Investitionen betreffe. Man rechne mit einer Verringerung der Menge an Plastiktüten um 60%.  Bis zu den Jahren 2021-2022 wolle man die Plastiktüten mehr oder weniger abschaffen und die betroffenen Betriebe durch Unterstützung und Weiterbildung vor grösseren Verlusten bewahren.

Der Vorsitzende der Vereinigung der Kunststoffverpackungshersteller (PAGDER) Reha Gür, ist gegen eine entsprechende Regelung. Begrenzungen und Verbote seien der falsche Weg, vielmehr solle man eine Sensibilisierung der Verbraucher durch Informationskampagnen anstreben. Wenn die Tüten kostenpflichtig würden, würden die Käufer versuchen, viel zu viel in zu wenige Tüten zu packen, diese könnten dann reissen und zu Ärger in den Geschäften führen, führte Gür seine Ablehnung weiter aus.  Viel wichtiger sei es, Abfälle zu trennen und wiederzuverwerten.
Nach seiner Ansicht würde es zu keiner Verringerung des Verbrauchs an Plastiktüten führen, wenn diese kostenpflichtig würden. Vielmehr würden die Verbraucher sie dann kaufen und zu anderen Zwecken nutzen. Es wäre wesentlich sinnvoller “umweltfreundliche” Plastiktüten anzubieten.

Die Großmarktkette METRO bietet schon seit geraumer Zeit große und stabile Plastiktüten zum Preis von 15 Kuruş (derzeit ca 3 Cent) an. Für 2 TL kann man hier auch stabile Einkaufstaschen aus wiederverwerteten PET-Flaschen erwerben.

Ausserdem werden Geschäfte ab Januar 2021 verpflichtet, Container für die Rücknahme von Plastikverpackungen und Einwegflaschen aufzustellen. Das neue Gesetz gehört zu einer “Null-Abfall-Kampagne” des Umweltministeriums gegen die Verschmutzung der Umwelt durch Plastik.  Durch begleitende massive Informationskampagnen soll das Umweltbewusstsein der Türken gestärkt werden und für Recycling geworben werden.  Geschäfte, die sich nicht an die neuen Vorschriften halten, werden mit Bußgeldern von 10 TL pro m² Geschäftsfläche belegt.

Das Bewusstsein für Plastikmüll und seine Schädlichkeit erwacht in der Türkei nur sehr zögerlich. So gibt es ausser für Bier keinerlei Mehrweg- oder Einwegpfandflaschen und auch bei offiziellen Veranstaltungen wird “aus hygienischen Gründen” oft Wasser in 200 ml (!) Plastikverpackungen angeboten.

Der Vorsitzende der Konförderation der Türkischen Einzelhändler und Selbständigen (TESK) Bendevi Palandöken befürchtet hingegen, dass das Verbot von Plastiktüten den Lebensmitteln schade und keinen Vorteil für die Umwelt bringe. Ausserdem forderte er, dass  große Marktketten und Stadtverwaltungen umweltfreundliche Taschen aus Stoff oder Netz bzw. Papiertüten kostenlos verteilen sollten.

(aktualisiert am 13.12.2018)

 

 

Verified by MonsterInsights