Das Ministerium für Kultur und Tourismus zog sich vom Antalya Golden Orange Film Festival mit der Begründung zurück, dass der Dokumentarfilm Kanun Hükmü, der in der Sektion des Dokumentarfilmwettbewerbs gezeigt wurde, trage dazu bei, die Terrororganisation FETÖ als Opfer darzustellen.
In der Erklärung des Ministeriums heißt es:
“Das Antalya Golden Orange Film Festival, das eine der wichtigsten Veranstaltungen im Bereich des türkischen Kinos ist und dieses Jahr zum 60. Mal stattfindet, nimmt den Dokumentarfilm “Kanun Hükmü” in die Sektion des Dokumentarfilmwettbewerbs auf. Es ist äußerst bedauerlich, dass bei einem so bedeutenden Festival die Macht der Kunst genutzt wird, um die Propaganda der Terrororganisation FETÖ, die sich durch diese Dokumentation als Opfer darstellt, zu fördern. Unser Ministerium wird sich nicht an den Bemühungen beteiligen, die Vorgänge um den Putschversuch am 15. Juli zu diskreditieren und die Kunst als Element der Provokation zu nutzen. Aus diesem Grund haben wir uns vom Antalya Golden Orange Film Festival zurückgezogen.”
Was war der Anlass?
Der Dokumentarfilm “Kanun Hükmü” war für den Wettbewerb des Antalya Golden Orange Film Festivals zugelassen, wurde aber mit der Begrüdnung, dass gegen eine im Dokumentarfilm vorkommende Person noch ein Gerichtsverfahren laufe, aus der Kategorie entfernt. Daraufhin hatten 20 Jurymitglieder des Festivals ihre Ämter niedergelegt, bis Nejla Demircis Dokumentarfilm “Kanun Hükmü” wieder in die Auswahl des Wettbewerbs aufgenommen werde. Mehrere Regisseure und Produzenten der am “Nationalen Spielfilmwettbewerb”, “Nationalen Dokumentarfilmwettbewerb” und “Nationalen Kurzfilmwettbewerb” teilnehmenden Filme hatten ebenfalls ihre Filme zurückgezogen. Die Regisseurin des Films, Nejla Demirci, reichte eine Klage gegen die Stadtverwaltung von Antalya ein und forderte die Aufhebung der Entscheidung und die Aussetzung der Vollstreckung.
In der beim Gericht eingereichten Petition hieß es, dass gegen die Personen in der Dokumentation kein Gerichtsverfahren anhängig sei. Daraufhin wurde der Film wieder aufgenommen.
Der Dokumentarfilm „Gesetzesdekret“ von Regisseurin Nejla Demirci, erzählt vom Kampf zweier Beamter, die per Gesetzesdekret (KHK) von ihrem Arbeitsplatz entlassen wurden. Als Reaktion auf die Entscheidung bezeichnete Direktor Demirci die fragliche Entwicklung als Zensur und sagte: „Die türkische Gesellschaft, die Recht und Demokratie will, wurde zum Opfer gemacht.“ Während als Grund für den Ausschluss des Dokumentarfilms vom Festival „das laufende Gerichtsverfahren gegen eine Person im Film“ angegeben wurde, bezeichnete Regisseur Demirci diese Aussage als „Scherz“.
Demirci erinnerte daran, dass der Dokumentarfilm bereits verboten wurde, während er sich noch in der Produktion befand, und dass das Verfassungsgericht (AYM) auf ihren Antrag hin den Film im Rahmen der Meinungsfreiheit beurteilte und eine Entschädigungsentscheidung erließ, und sagte, das Thema des Dokumentarfilms sei „ziviler Widerstand und Kampf“. Neijla Demirci nante auf X (Ehemals Twitter) die Rückkehr des Films einen “Sieg der Demokratie”.
Kritik an der erneuten Wiederaufnahme
In mehreren Kommentaren von (regierungsnahen) Journalisten wurde darauf hingewiesen, dass die Stadtverwaltung Antalya seit geraumer Zeit große Anstrengungen und Geld in die von ihnen organisierten Festivals stecke, um dem türkischen Kino zu dienen. Allerdings habe sich das Festival in den letzten Jahren zu Schauplätzen des „Art House“-Kinos (Independent Films) entwickelt. Nicht nur die Wettbewerbsfilme, auch die Jurymitglieder und die eingeladenen Künstler waren nicht die Stars der Kinokassen, sondern unabhängige Filmemacher. Das deutlichste Indiz dafür ist, dass keiner der Filme, die in den letzten Jahren auf beiden Festivals ausgezeichnet wurden, in Kinos Interesse fanden. Es wurde kritisiert, dass die Preisträger der beiden Festivals mit ihren Reden einen Teil der Gesellschaft glücklich machten, dabei verärgerten sie die Mehrheit. Die meisten derjenigen, die zur Preisverleihung auf die Bühne gingen, grüßten die im Gezi-Prozess Inhaftierten, nicht die Meister des Kinos.